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Spätes Tor zum Wohle(rs) der Mannschaft

Was für eine Erleichterung. Tom Wohlers (mitte) wird für seinen Treffer in der 90. Minute gefeiert. Foto: Mathias Reß

Zwischen dem sehr tief sitzenden Pokalaus und dem nächsten Punktspiel am Ostermontag bei HEBC vergingen gerade mal 49 Stunden und 42 Minuten. „Das ist natürlich brutal, aber so ist das jetzt und da müssen wir durch“, befand Coach Fabian Boll vor dem Nachbarschaftsduell in Eimsbüttel. Am Ende war festzustellen: Und wie seine Männer da durch sind! Sie zeigten Moral, Kampfgeist und Willen, indem sie sich in keiner Phase des Spiels aufgaben. Auch nicht, als HEBC zur Halbzeit noch mit 2:0 führte.

Oguzhan Senol gab sein Herrendebüt.

Als unsere Spieler am Reinmüller eintrafen, waren die Köpfe natürlich teilweise gesenkt und die Stimmung geknickt. Selbstverständlich machte das brutale Halbfinalaus, zwei Tage zuvor in Dassendorf, auch auf der emotionalen Ebene sehr viel mit unseren Männern. Dass sie sich dann nach so einer kurzen Zeit wieder auf die nächste Partie konzentrieren und neu motivieren mussten, war eine Mammutaufgabe für unsere Kicker. Denn es sind Menschen und keine Maschinen, was immer mal wieder bei ein paar Zuschauern in Vergessenheit gerät. Hinzu kam, dass die Mannschaft auch personell durch Verletzungen und arg angeschlagene Akteure mittlerweile einen großen Engpass hatte. Deshalb bedanken wir uns an dieser Stelle bei Andreas Evelt (SCV U23), Luc-Noah Klasen und Oguzhan Senol (beide U19) für ihre Unterstützung. Senol fand sich sogar direkt in der Startelf wieder und feierte damit sein Debüt im Herrenbereich. Neben Kapitän Felix Schuhmann spielte der 18-Jährige in der Innenverteidigung, was er wirklich gut machte, dafür, dass er bisher keine Herrenerfahrung sammelte und sich Spielern gegenüberstellen musste, die bissig und giftig waren, weil sie derzeit um das Überleben in der Oberliga kämpfen. Der Jungspund präsentierte sich sogar sehr ruhig und abgeklärt. Vor allem am Boden gewann er viele Tacklings mit robusten aber immer sehr fairen Einsätzen. Dem Zwischenstand geschuldet musste im zweiten Durchlauf mit Yannick Petzschke dann aber doch wieder mehr Erfahrung auf den Platz.

Komfortable Halbzeitführung für HEBC
SCV-Keeper Dennis Lohmann hatte auch einiges zu tun.

Wie es „Helmpeter“ (HSV-Kultfan) in einem Videostatement nach der Begegnung passend sagte: „Natürlich war das ein spannendes Spiel. Aber im Grunde genommen, hat man die technische Überlegenheit von Vicky gesehen. Auch schon in der ersten Halbzeit.“ Allerdings lag unsere Truppe zur Pause durch einen kurz zuvor kassierten Doppelschlag mit 0:2 hinten. Und das gar nicht mal unverdient. Denn zwar erspielte sich unser Team mehr Ballbesitzanteile und zeigte in Kontern schnelle, schöne Spielzüge, den Aufbau gestalteten aber zunächst die Hausherren, die ebenfalls sehr häufig mit guten Flankenläufen gefährlich vor unser Tor kamen. Bis sie schließlich genau damit in der 43. und 44. Minute durch Tjorven Köhler und Janosch Rinckens zuschlugen. Und wenn wir schon vorher davon sprachen, dass unsere Mannschaft mit geknickten Köpfen anreiste, gingen nun nicht wenige Zuschauer davon aus, dass sie dieser Doppelschlag völligst demoralisieren würde. Andere waren wiederum aufgrund des dennoch guten und mit der Zeit immer besser werdenden Auftritts weiterhin frohen Mutes, dass die „Böller“ nach dem Seitenwechsel noch ein Feuerwerk entzünden könnten.

Es lief die 59. Minute, als es den ersten Knall gab. Der im Mittelfeld sehr stark aufspielende Len Aike Strömer zog zentral aus 22 Metern ab und ließ den Ball mit Wucht an die Latte krachen. Das war der Startschuss für die komplette Übernahme des Spielgeschehens. In der letzten halben Stunde kämpften die Hausherren zwar noch weiter, aber ihnen ging immer mehr die Luft aus, während unsere Spieler eine zweite Kraft zu bekommen schienen, sich nicht hängenließen sondern sich noch einmal aufbäumten um alles zu versuchen, dieses Match doch noch für sich positiv zu gestalten. Damit kamen leider nicht alle HEBC´ler klar. Wir nennen jetzt mal nicht den Namen, aber: Andere Spieler anrotzen, weil man vielleicht frustriert ist, ist nicht nur ein ekelhaftes sondern auch ein asoziales Verhalten! Der Spieler entschuldigte sich zwar nach dem Spiel „aufrichtig“ für seine Tat, dennoch ist das etwas, was so überhaupt nicht geht. Egal wo und egal in welcher Situation.

Das Spiel in der Schlussphase gedreht
Len Aike Strömer (mitte) zeigte eine sehr starke Leistung und erzielte den zwischenzeitlichen Ausgleich.

Die beste Antwort, die unsere Mannschaft darauf geben konnte, war dann das, was zu Beginn der Schlussphase zu sehen war. Erst erzielte Dennis Bergmann in der 74. den Anschlusstreffer und dann markierte Strömer nur drei Zeigerumdrehungen später den Ausgleich. Es war noch genug Zeit, um das Spiel sogar gänzlich zu drehen. Die Hausherren kamen zwar in der 80. Minute noch einmal gefährlich vor unseren Kasten, als Keeper Lohmann einen Kopfball von Janek Wrede aus dem Eck fischte, aber dann drehte unser Team auf. Es lag in der Luft, dass das wir am Ende tatsächlich noch als Sieger vom Platz gehen könnten. Allerdings lief die Zeit gegen uns. Aber dann sollte es doch noch passieren. In der 90. Minute ergab sich im Kampf um den Ball ein undurchsichtiges Gewühl im Strafraum des HEBC, bis die Pille schließlich zu Tom Wohlers kam, der aus der Drehung heraus, flach ins lange Eck, zur 3:2 Führung für seine Victorianer traf. Der Jubel kannte keine Grenzen. Wohlers zog sein Trikot aus und rannte zur Eckfahne. Die Mannschaft, die komplette Ersatzbank sowie Angehörige von außen jubelten und rannten teilweise zum Torschützen, um ihn und die damit verbundene Führung zu feiern. Es war stark spürbar, dass dieser extreme Jubel nicht nur der Tatsache galt, dass die Mannschaft soeben einen 0:2-Rückstand drehte und eine fantastische Moral zeigte. Damit fiel nämlich zusätzlich auch jede Menge Frust ab, der sich bis zu diesem Zeitpunkt wegen des Pokalspiels verfestigt zu haben schien.

In der Nachspielzeit fiel dann kein Treffer mehr, sodass unsere Mannschaft einen großen Sieg für sich einfuhr. Sie ist zwei Tage zuvor vom Fahrrad gestürzt, aber auch wieder aufgestanden, hat sich auf den Sattel gesetzt und ist langsam weitergefahren, ohne erneut hinzufallen, was ein riesiger Erfolg ist. Und eine ganz bestimmte Person wird am späteren Abend wahrscheinlich sogar noch dem Sonnenuntergang entgegengeradelt sein: Nämlich Helmpeter, der es sich in dem anschließenden Videostatement auch nicht nehmen ließ, unseren Victorianern die Daumen zu drücken, „dass da noch was geht“.



AUTOR/FOTOS: Mathias Reß